Lebendige Dombauhütte

Die Entstehung einer Stifterfigur
von Guido Siebert

Im Laufe der Landesausstellung wird der Bildhauer Ulrich Janku die Stifterfigur des Grafen Thimo von Kistritz als Kopie herstellen. Sie wird aus einem Kalksteinblock herausgehauen. Als Vorlage dient ein Gipsmodell, das nach dem Original im Westchor des Naumburger Doms angefertigt wurde. Nach der Fertigstellung erhält die Gemeinde Kistritz (15 km westlich von Naumburg) die Skulptur gegen die Überlassung des Kistritzer Altars für das Domschatzgewölbe.

Der Bildhauer bedient sich der Punktiertechnik, mit deren Hilfe die Maße des Gipsmodells auf die Steinkopie übertragen werden. Sie besteht darin, dass die Punktiermaschine von drei festen Punkten aus jeden beliebigen Punkt in einem dreidimensionalen Koordinatensystem erreichen kann. Die Punkte legt der Bildhauer am Modell fest und arbeitet danach solange in den Steinblock hinein, bis er sie auch dort erreicht hat. Deshalb wird die Punktiermaschine immer wieder vom Gipsmodell abgenommen und auf den Steinblock aufgelegt. Damit prüft der Bildhauer, wie weit er noch in den Block hineinarbeiten muss. Je näher einander sich die Punkte auf dem Modell befinden, desto exakter wird die Kopie.

Die Dokumentation wird die Schritte zeigen, die zur Herstellung der Kopie führen, indem jede Woche neue Fotos vom Fortgang der Arbeiten zu sehen sein werden. Damit können auch Erkenntnisse für die mittelalterliche Bildhauertechnik und die Dauer einer Arbeitsphase zur Erstellung einer lebensgroßen Skulptur gewonnen werden. Zu beachten ist, dass der mittelalterliche Bildhauer kein Modell als Vorlage hatte und die Skulptur nach dem Vorbild einer Zeichnung anfertigte. Er stellte die Figur in freier Ausarbeitung her, nicht nach einem originalgroßen oder verkleinerten Modell. Die Punktiertechnik wurde erst in der Renaissance entwickelt, ist aber in diesem Falle notwendig, um tatsächlich die genaue Kopie einer Stifterfigur zu ermöglichen.

 

23.06.2011
Der Bildhauer Ulrich Janku beginnt mit der Arbeit im Nachbau einer mittelalterlichen Steinmetz- und Bildhauerhütte am Westchor des Naumburger Doms im Domgarten.

26.06.2011
Im Vordergrund das Gipsmodell der Stifterfigur mit den Auflagen für das Punktiergerät, im Hintergrund der Figurenblock mit ersten Bearbeitungsspuren.

29.06.2011
Der Bildhauer bearbeitet mit einem zweizahnigen Werkzeug, dem sogenannten Hundezahn, grob die Form aus.

29.06.2011
Links das Gipsmodell mit dem Punktiergerät. Die bewegliche Spitze befindet sich am Kopf des Modells. An der gleichen Stelle arbeitet sich der Bildhauer zu dem Punkt am Steinblock vor. Die Schildform ist bereits in ihren Umrissen zu erkennen. Stehen blieben die Auflagen, welche die exakt gleiche Position des Punktiergeräts auf dem Steinblock ermöglichen wie auf dem Gipsmodell.

 

04.07.2011
Die Ausarbeitung der bildhauerischen Form mit groben Werkzeugen ist erkennbar.

04.07.2011
Am Kopf arbeitet der Bildhauer bereits mit feineren Werkzeugen, da er sich hier schon sehr nahe an der "Haut" der Skulptur befindet.

07.07.2011
Mehr und mehr tritt das Gesicht aus der Rohform heraus. Das Zahneisen findet keine Verwendung mehr, der Bildhauer arbeitet hier nun ausschließlich mit Flachmeißeln.

11.07.2011
Über die ganze Figur verteilt der Bildhauer Punkte, die er vom Modell übertragen hat. Er arbeitet die Rohform, die von den Punkten bestimmt wird, mit dem Zahneisen heraus.

19.07.2011
Erster Gast in der lebendigen Bauhütte der Landesausstellung ist der
Steinmetz Nicolai Hellstern von der Münsterbauhütte Basel. Er fertigt Werkstücke für den Außenbereich des Naumburger Westchors an.

19.07.2011
Der Steinmetz bei der abschließenden Bearbeitung der Oberfläche, deren Gestaltung mittels eines regelmäßigen Schmuckhiebes erfolgt. Für eine sichere Führung des Meißels umfasst ihn der Steinmetz mit drei Fingern und legt den kleinen Finger wie eine Ablage darunter. Er benutzt nunmehr nur noch einen sehr leichten Knüppel.

19.07.2011
Die für den Außenbereich des Naumburger Westchors von Nicolai Hellstern angefertigten Segmente. Sie werden verwitterte Teile der Brüstung ersetzen, die bei der Umgestaltung des Dachs im 19. Jahrhundert zwischen die Fialen eingebracht wurden.

22.07.2011
Die Steinkopie des Thimo wird ihrem Gips-Vorbild immer ähnlicher.

13.08.2011
Jetzt ist die Steinkopie in einiger Entfernung kaum noch vom Modell zu unterscheiden. Alle Konturen und die bildhauerische Form sind vollständig mit dem Zahneisen ausgearbeitet.

13.08.2011
Aus der Nähe lassen sich die unterschiedlichen Feinheitsgrade der Ausarbeitung mit dem Zahneisen erkennen.

13.08.2011
Noch liegen die Punkte unterhalb der mit dem Zahneisen bearbeiteten Fläche. Einige Kantenverläufe hat der Bildhauer bereits mit dem Flachmeißel ausgearbeitet, um ihren Verlauf zu sichern.

13.08.2011
Gut sichtbar ist bereits die Anlage der Falten des Umhangs, der sich über Hüfte und rechts Bein zieht. Den Schild hat der Bildhauer zum Teil schon bis zum Schliff fertiggestellt. Die Kante, unterhalb derer das Material abgearbeitet werden soll, bezeichnet ein Bleistiftstrich.

Stifterfigur des Thimo von Kistritz